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Günter Grass wehrt sich gegen Kritik an seinem Gedicht
04/05 | 17:27 GMT
©AFP / Marcus Brandt
Hamburg/Jerusalem (AFP) - Günter Grass will seine Kritik an der israelischen Regierung "auf keinen Fall widerrufen". "Mit kritikloser Hinnahme hilft man Israel nicht", sagte Grass dem Sender 3sat, "das ist Nibelungentreue und wir wissen, wohin die führt." Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu warf Grass einen "schändlichen" Vergleich Israels mit dem Iran vor und erinnerte an die Mitgliedschaft des Autors in der Waffen-SS.
Grass wies die Kritik an seinem am Mittwoch veröffentlichten Gedicht "Was gesagt werden muss" als überzogen zurück. "Der durchgehende Tenor ist, sich bloß nicht auf den Inhalt des Gedichtes einlassen, sondern eine Kampagne gegen mich zu führen, und zu behaupten, mein Ruf sei für alle Zeit geschädigt", sagte Grass dem NDR. Im Interview mit dem 3sat-Magazin "Kulturzeit" ergänzte er, "eine derart massive Verurteilung bis hin zum Vorwurf des Antisemitismus" sei "von einer verletzenden Gehässigkeit ohnegleichen". Er werde "an den Pranger gestellt."
Grass räumte im "Kulturzeit"-Gespräch einen Fehler ein. Es wäre besser gewesen, nicht von "Israel" generell zu sprechen, sondern von der "derzeitigen Regierung Israels". Die Lieferung eines sechsten U-Boots an Israel durch Deutschland, der Auslöser seiner Publikation, sei "eine falsche Form der Wiedergutmachung", bekräftigte Grass. In seinem Gedicht warf er der israelischen Regierung vor, mit ihrer Iran-Politik den Weltfrieden zu gefährden.
"Der Iran, nicht Israel ist eine Bedrohung für den Frieden und die Sicherheit der Welt", unterstrich Netanjahu in einem von seinem Büro als Gedicht deklarierten Text. "Der Iran, nicht Israel droht anderen Staaten mit der Vernichtung." Grass habe "sechs Jahrzehnte verborgen, dass er in der Waffen-SS war". Der Literaturnobelpreisträger hatte sich 2006 ausführlich über die Zeit in der Waffen-SS geäußert, was eine breite öffentliche Debatte auslöste.
Grass' Hinübergleiten von der Fiktion zur Science Fiction sei "erbärmlich" und "geschmacklos", sagte der israelische Außenamtssprecher Jigal Palmor. Der israelische Historiker Tom Segev schrieb in der Zeitung "Haaretz", das Gericht sei "eher pathetisch als antisemitisch".
In Schutz genommen wurde Grass vom Präsidenten der Akademie der Künste, Klaus Staeck. "Man muss ein klares Wort sagen dürfen, ohne als Israel-Feind denunziert zu werden", sagte Staeck der "Mitteldeutschen Zeitung". "Die reflexhaften Verurteilungen als Antisemit finde ich nicht angemessen." Grass habe "das Recht auf Meinungsfreiheit auf seiner Seite" und nur "seiner Sorge Ausdruck verliehen". Diese Sorge teile er "mit einer ganzen Menge Menschen".
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